Arbeitszeugnis Formulierungen: Der Geheimcode in Zeugnissen

Beim Ausscheiden aus einem Unternehmen sollte man grundsätzlich nach einem Arbeitszeugnis verlangen. Die Unternehmen sind zwar verpflichtet dazu, allerdings darf zwischen Ausscheiden und Anfrage keine allzu große Zeit verstreichen. Die Frist zum Anfordern beträgt gesetzlich 3 Jahre. Tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen verkürzen die Frist jedoch erheblich, so dass man in der Regel 2-6 Monate Zeit hat. Daher sollte man die Anforderung zeitnah beim Ausscheiden stellen.

Nachdem man das Arbeitszeugnis in den Händen hält, sollte man es gründlich überprüfen. Denn, Zeugnisse müssen "wahrhaftig" und "wohlwollend" formuliert sein. Daher kann es passieren, dass man in einem Arbeitszeugnis Formulierungen findet, die zwar auf den ersten Blick gut erscheinen, in Wirklichkeit jedoch eine ziemlich schlechte Note darstellen. Aus dem Umstand, dass sie wohlwollend formuliert werden müssen, haben die Unternehmen eine Art Arbeitszeugnis Geheimcode entwickelt, um auch schlechte Leistungen wohlwollend formulieren zu können.

Aufbau und Inhalt eines Arbeitszeugnisses

Zunächst sollte man das Arbeitszeugnis auf den Aufbau hin überprüfen. Auch die Rechtschreibung und Grammatik sollte überprüft werden. Ein Arbeitszeugnis ist in der Regel in 6 Abschnitte unterteilt. Diese sind:

  • Beschäftigungszeit: Hier formuliert man Sätze wie "Herr/Frau Mustermann war in der Zeit vom XY bis YZ in unserem Unternehmen beschäftigt".
  • Stellenbezeichnung: Damit wird die Position des Mitarbeiters im Unternehmen beschrieben. Hat man während der Tätigkeit mehrere Stellen durchlaufen, werden sie mit den entsprechenden Zeiträumen ebenfalls benannt.
  • Aufgabengebiet bzw. Tätigkeitsbeschreibung: Der Verantwortungsbereich sowie die zuletzt ausgeführten Tätigkeiten.
  • Leistungsbewertung: Der wichtigste Punkt, denn hier werden die Noten vergeben. Bewertet werden dabei verschiedene Bereiche wie Arbeitsbereitschaft, Einsatz, Arbeitserfolg, Aufnahmefähigkeit, Wissen, Weiterbildung etc. Zusätzlich wird die Gesamtleistung in einem zusammenfassenden Satz beschrieben, z.B. "Herr/Frau Mustermann hat seine/ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt".
  • Persönliches Verhalten: In diesem Punkt wird das persönliche Verhalten gegenüber den Kunden, Kollegen und Vorgesetzten bewertet.
  • Schlussformulierung mit Dankes-, Bedauerns- und Grußformel: Hierbei wird beschrieben, warum man die Beschäftigung beendet hat, man bedankt sich für die Zusammenarbeit, bedauert evtl. dass die Zusammenarbeit beendet wurde und schreibt etwas über die Zukunftswünsche für den Mitarbeiter.

Passt der Aufbau, die Rechtschreibung und die Grammatik, sollte man das Zeugnis auf den Inhalt hin überprüfen, insbesondere auf die sogenannten Geheimcodes.

Beschäftigungszeit und Stellenbezeichnung

Diese Sätze sind zwar normalerweise harmlos, trotzdem sollte man prüfen, ob die Zeiten und die Stellenbezeichnung/en korrekt angegeben wurden.

Aufgabengebiet und Tätigkeitsbeschreibung

In diesem Bereich sollte man darauf achten, dass alle wesentlichen Verantwortungsbereiche und Tätigkeiten in der richtigen Reihenfolge aufgeführt sind. Das bedeutet, die wichtigsten Tätigkeiten kommen zuerst.

Leistungsbewertung

Diesen Punkt sollte man am meisten prüfen. Denn, trotz einer wohlwollenden Formulierung kann der eine oder andere Satz eine schlechte Bewertung bedeuten. Die Beurteilung sollte insbesondere auf Schlüsselwörter wie "stets", "äußerst", "außerordentlich" etc. untersucht werden. Fehlen diese, bedeutet das eher eine schlechte Bewertung. Beispielsweise bedeutet der Satz "hat seine/ihre Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt" in etwa, "es war nicht durchgängig so". Besser wäre "hat seine/ihre Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt". Nachfolgend einige Beispiele, um ein Gefühl für die Zeugnissprache zu bekommen.

Arbeitsweise

In diesem Bereich wird beschrieben, wie man seine Arbeit insgesamt erledigt hat. Hat man z.B. viele Fehler produziert, Unfälle verursacht, arbeitete man schnell und effektiv oder gehörte man zu den langsamen usw.


Formulierung Note
Die Qualität der Arbeit von Herr/Frau Mustermann erfüllte stets höchste Ansprüche. Er/Sie führte seine/ihre Aufgaben immer äußerst selbstständig, effizient und zuverlässig aus. Sehr gut
Die Qualität der Arbeit von Herr/Frau Mustermann erfüllte stets hohe Ansprüche. Er/Sie führte seine/ihre Aufgaben äußerst selbstständig, effizient und zuverlässig aus. Gut, hier steht statt "höchste Ansprüche" lediglich "hohe Ansprüche" und das "immer" fehlt bei "äußerst selbständig".
Die Qualität der Arbeit von Herr/Frau Mustermann erfüllte hohe Ansprüche. Er/Sie führte seine/ihre Aufgaben selbstständig, effizient und zuverlässig aus. Befriedigend, hier fehlt bei "hohe Ansprüche" das Wort "stets", es war also nicht immer so. Außerdem fehlt das Wort "äußerst" bei "selbständig".
Die Qualität der Arbeit von Herr/Frau Mustermann erfüllte unsere Ansprüche. Er/Sie führte seine/ihre Aufgaben korrekt und zuverlässig aus. Ausreichend, hier werden lediglich "Ansprüche" erfüllt, was so viel bedeutet wie "wir hatten keine hohen Ansprüche". Die Aufgaben wurden "korrekt und zuverlässig" ausgeführt bedeutet in etwa "er konnte zwar nicht viel, das was er machen sollte hat er aber ordentlich gemacht"
Er/Sie führte seine/ihre Aufgaben mit Sorgfalt und Genauigkeit aus. Mangelhaft, hier wird nicht mal das Wort Qualität erwähnt. "mit Sorgfalt und Genauigkeit" bedeutet in etwa "er bemühte sich zwar, es kam aber wenig zustande".
Er/Sie führte seine/ihre Aufgaben im Allgemeinen mit Sorgfalt und Genauigkeit aus. Ungenügend, durch den Zusatz "im Allgemeinen" wird mitgeteilt, dass man sich zum Teil nicht einmal bemüht hat, etwas zustande zu bringen.

Gesamtleistung

Ein Arbeitszeugnis sollte einen Satz über die Gesamtleistung enthalten. Damit werden die einzelnen Bereiche zusammenfassend bewertet. Der Satz stellt daher den wichtigsten Teil eines Arbeitszeugnisses dar.


Formulierung Note
Herr/Frau Mustermann hat seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt. Sehr gut, das signalisieren die Wörter "stets" und "vollsten Zufriedenheit".
Herr/Frau Mustermann hat seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Gut, statt "vollsten" Zufriedenheit nur noch "vollen" Zufriedenheit.
Herr/Frau Mustermann hat seine Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt. Befriedigend, hier fehlt das Wort "stets", es war also nicht immer so.
Herr/Frau Mustermann hat seine Aufgaben zu unserer Zufriedenheit erledigt. Ausreichend, hier wurde die Aufgaben nicht zur "vollen" Zufriedenheit erledigt.
Herr/Frau Mustermann hat seine Aufgaben im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt. Mangelhaft, "im Großen und Ganzen" bedeutet in etwa "es war vieles im Argen".
Herr/Frau Mustermann bemühte sich, seine Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen. Ungenügend, durch den Zusatz "bemühte sich" wird signalisiert, dass man eigentlich nie zufrieden war.

Diese Beispiele sollen veranschaulichen, wie man ein Zeugnis wohlwollend formuliert und dem Mitarbeiter trotzdem ein schlechtes Zeugnis ausstellen kann. Man sollte auch darauf achten, dass das Zeugnis keine abwertenden Formulierungen enthält. Sätze wie "die ihm übertragenen Arbeiten" (keine Eigeninitiative), "arbeitete mit größter Sorgfalt" (Pedant, Erbsenzähler, langsam) sollten nicht drin stehen. Selbstverständliche Dinge, sollte ein Arbeitszeugnis ebenfalls nicht enthalten. Denn das deutet genau auf Probleme hin, selbst wenn im Zeugnis etwas Gegenteiliges geschrieben wurde. Wenn z.B. im Zeugnis steht "bei den Abrechnungen gab es nichts zu beanstanden", so deutet das genau darauf hin, dass es etwas zu beanstanden gab.

Persönliches Verhalten

In diesem Bereich ist dafür da, um etwas über die Persönlichkeit des Mitarbeiters zu sagen. War man ein geschwätziger Typ, hatte man Alkoholprobleme, belästigte man die Frauen in der Abteilung, war man ständig mit dem Chef im Streit usw. Dieser Punkt sollte ebenfalls gründlich untersucht werden. Nachfolgend einige Beispiele.


Formulierung Note
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen war stets vorbildlich. Sehr gut, das signalisieren die Wörter "stets" und "vorbildlich".
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen war vorbildlich. Gut, das Wort "stets" ist entfallen, es war also nicht immer so.
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen war stets gut. Befriedigend, "gut" signalisiert "nicht bestens".
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen war gut. Ausreichend, hier ist das Wort "stets" entfallen.
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen gab keinen Anlass zu Beanstandungen. Mangelhaft, es gab etwas zu beanstanden.
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Vorgesetzten und Kollegen gab im Allgemeinen keinen Anlass zu Beanstandungen. Ungenügend, durch den Zusatz "im Allgemeinen" wird signalisiert, dass hier erheblich etwas im Argen lag.
Herr/Frau Mustermann trug wegen seiner geselligen Art zur Verbesserung des Betriebsklimas bei. Schlecht, deutet auf Alkoholprobleme hin.
Herr/Frau Mustermann besitzt ein besonderes Einfühlungsvermögen. Schlecht, deutet auf sexuelle Belästigung hin.
Das Verhalten von Herr/Frau Mustermann gegenüber den Kollegen war gut. Schlecht, hier wurde "gegenüber den Vorgesetzten" weggelassen. Deutet auf Probleme mit dem Chef hin.

Schussformulierung

Die Schlussformulierung ist zwar etwas harmloser als die vorherigen beiden Bereiche, trotzdem kann sie Formulierungen enthalten, die das Arbeitszeugnis entwerten. Einige Beispiele.


Formulierung Note
Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau Mustermann sehr, da wir einen einen wertvollen Mitarbeiter verlieren. Wir bedanken uns für die stets sehr guten Leistungen und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg. Sehr gut, das signalisiert das Bedauern über sein Ausscheiden und die Hinweise wie "wertvoller Mitarbeiter" und "stets sehr guten Leistungen".
Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau Mustermann. Wir bedanken uns für die stets guten Leistungen und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute und weiterhin viel Erfolg. Gut, es wird nicht mehr "sehr" bedauert und "wertvoller Mitarbeiter" ist entfallen. Die Leistungen sind nur noch "stets gut"
Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau Mustermann und danken ihm für die guten Leistungen. Für die Zukunft wünschen wir ihm alles Gute und weiterhin Erfolg. Befriedigend, die Leistungen waren nicht "stets" gut. Es wird auch nicht mehr von "viel Erfolg" gesprochen.
Wir bedauern das Ausscheiden von Herrn/Frau Mustermann und danken für die guten Leistungen. Für die Zukunft wünschen wir ihm alles Gute. Ausreichend, hier wird nicht mehr von Erfolg gesprochen.
Wir bedanken uns bei Herrn/Frau Mustermann für seine Mitarbeit und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute. Mangelhaft, es gab keine guten Leistungen sondern lediglich "Mitarbeit".
Wir bedanken uns bei Herrn/Frau Mustermann für das Streben nach guten Leistungen. Wir wünschen ihm/ihr alles Gute bei den weiteren Bemühungen. Ungenügend, durch "Streben nach guten Leistungen" wird signalisiert, dass man im Grunde wenig auf die Reihe gebracht hat.